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Justizmacht gegen die Meinungsfreiheit ? Amtsgericht Wiesloch erlässt Strafbefehl wegen Blogbeitrag über das Amtsgericht Wiesloch

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Am 05. Januar 2016 hat das Amtsgericht Wiesloch gegen die in NRW ansässige Blogbetreiberin einen Strafbefehl (nach vorheriger Durchführung eines der Blogbetreiberin bis zum Erlass des Strafbefehls unbekannten Strafermittlungsverfahrens der für die Blogbetreiberin unzuständigen Staatsanwaltschaft Heidelberg) erlassen. Die Blogautorin ist zu 40 Tagessätzen bzw. bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe zu 40 Tagen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Der Blogautorin bzw. die im Blogbeitrag zitierte Mutter werden der gemeinschaftlichen Tatbegehung beschuldigt. Hiergegen wurde Widerspruch eingelegt.

Es geht um folgenden vor Veröffentlichung medienrechtlich juristisch geprüften Blogbeitrag:

Donnerstag, 26. Februar 2015

Richterin Fürstenau vom Amtsgericht Wiesloch ordnet zwangspsychiatrische Behandlung eines Scheidungskindes im Einstweiligen Verfahren an(1)

Vorgeworfen wird der Blogautorin im Strafbefehl des Amtsgerichts Wiesloch:
Vergehen gemäß §§ 186 Abs. 1, 194 Abs. 1 S. 1 StGB, §§ 106 Abs. 1, 109 UrhG, §§ 25 Abs. 2, 52 StGB

§ 186 Üble Nachrede


Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 194 Strafantrag

(1) 1Die Beleidigung wird nur auf Antrag verfolgt.

§ 106 Unerlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke UrhG

(1) Wer in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen ohne Einwilligung des Berechtigten ein Werk oder eine Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes vervielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 109 Strafantrag UrhG



In den Fällen der §§ 106 bis 108 und des § 108b wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.

§ 25 Täterschaft StGB


(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.
(2) 1Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. 2Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.
(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.
(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkanntwerden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.

Beweismittel ist die Kinder- und Jugendpsychiaterin Frau Dr. med. Maria Schmidbauer aus Heidelberg. Frau Dr. med. Maria Schmidbauer hat gegen die Blogbetreiberin Strafanzeige wegen übler Nachrede gestellt. Die Staatsanwaltschaft fügte den Vorwurf der "Urheberrechtsverletzung" aufgrund des zitierten Arztbriefes hinzu und bejahte das in § 109 UrhG geforderte "besondere öffentliche Interesse" für die Strafverfolgung.

Es wird behauptet, dass für die Übermittlung des Arztbriefes eine Schweigepflichtentbindung der betroffenen Mutter - entgegen ihrer Angaben mir gegenüber - vom 24.11.2014 existiere. Die besagte Schweigepflichtentbindung ist bis dato sowohl der Blogautorin, als auch ihrem Verteidiger nicht bekannt bzw. bekannt gegeben worden. Die Mutter bleibt bei Ihrer Feststellung, dass sie keine Schweigepflichtentbindung zur Übermittlung des Arztbriefes an das Jugendamt erteilt habe. Dies ist nur eine der mit diesem Verfahren verbundenen unbeantworteten Fragen........


Die Hauptverhandlung findet am

Dienstag, den 21.11.2017 
13.30 Uhr
Amtsgericht Wiesloch - Strafgericht
Bergstraße 3
Sitzungssaal I
69168 Wiesloch
Bitte um Beachtung, dass im Gerichtsgebäude Zugangskontrollen stattfinden können. Wer der Verhandlung beiwohnen möchte, sollte rechtzeitig kommen, da durch die Zugangskontrollen Wartezeiten entstehen könnten.
 
DieÖffentlichkeit, welche hier aufgrund des von der Staatsanwaltschaft Heidelberg bejahten "besonderem öffentlichen Interesse" sich angesprochen fühlt, ist herzlich eingeladen, der Hauptverhandlung am 21.11. um 13.30 Uhr beim Amtsgericht Wiesloch (nahe Heidelberg) als Prozessbeobachter bzw. Zuhörer im öffentlichen Interesse* beizuwohnen.

*Öffentliches Interesse ist strafprozessrechtlich das Interesse der Allgemeinheit an einer Strafverfolgung. Hier kann sich das öffentliche Interesse sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Gründen ergeben, zudem aus den Folgen einer konkreten Straftat oder zur Verhinderung eines weiteren Schadens für den Verletzten. Öffentliches Interesse an der Strafverfolgung einer Körperverletzung liegt beispielsweise vor, wenn die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist, der Rechtsfrieden über den Lebenskreis des Verletzten hinaus gestört wird oder dem Verletzten wegen persönlicher Beziehungen zum Täter eine Privatklage nicht zugemutet werden kann.[3] Die Wirkung einer Straftat muss also über den unmittelbaren Lebenskreis des Geschädigten hinausgehen, damit öffentliches Interesse angenommen werden kann.(Quelle: Wikipedia: öffentliches Interesse)
Von Seiten der Beschuldigten sind durch ihren Verteidiger bereits Verfahrensrügen schriftsätzlich geäußert worden, welche allesamt erfolglos waren. Bitte beachten Sie, dass auch für die Blogautorin als Beschuldigte§ 353 d StGB (§ 353d Abs. 3 StGB Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen) gilt, weshalb die Blogautorin keine Informationen zum Strafantrag oder zum Inhalt des Strafantrages und der Strafakte vor der Hauptverhandlung bekannt gibt bzw. bekannt geben darf. Siehe zum Thema auch

§ 353d Abs. 3 StGB Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen

Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
      3.     die Anklageschrift oder andere amtliche Schriftstücke eines Strafverfahrens, eines Bußgeldverfahrens oder eines Disziplinarverfahrens, ganz oder in wesentlichen Teilen, im Wortlaut öffentlich mitteilt, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist.
Der Gesetzgeber verfolgte mit § 353d StGB dass das Postulat der richterlichen bzw. staatsanwaltschaftlichen Unabhängigkeut und Neutralität nicht durch Umstände und Verhaltensweisen beeinträchtigt werden darf, welche eine Vorverurteilung bewirken können. Das Strafrecht sehe für eine gerechte Entscheidung einen streng formalisierten stufenförmigen Verfahrensgang vor. (vgl. dazu Bt.-Drs. 10/4608: Bericht der Bundesregierung zum Thema:"Öffentliche Vorverurteilung" und "faires Verfahren"  , Seite 6:)
"Damit konstituiert es eine Justizförmigkeit des Verfahrens, die als wesentliches Element des Rechtsstaats und des aus ihm abzuleitenden Begriffs des „fair trial" anzusehen ist. Diese Justizförmigkeit ist wesentliche Voraussetzung für das objektive und sachgerechte Zustandekommen der zu treffenden Prozeßentscheidung. Sie kann gefährdet werden, wenn den strafverfahrensrechtlichen Bedingungen nicht entsprechende unkontrollierbare Einflüsse aus anderen Lebensbereichen auf das Verhalten der Entscheidungsträger maßgeblichen Einfluß zu gewinnen drohen."
Diskussionen zum Thema:

 

§ 353d Abs. 3 StGB soll nach dem Willen des Gesetzgebers die objektive und unabhängige Durchführung eines Strafverfahrens gewährleisten. Das Bundesverfassungsgericht hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich die Einschränkungen der Meinungsfreiheit gerechtfertigt sind:

BVerfG 2 BvR 429/12 (3. Kammer des Zweiten Senats) - Beschluss vom 27. Juni 2014 (OLG Celle / LG Bückeburg / AG Rinteln), Leitsätze Nr. 4 und 5.

4. Der Eingriff in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch § 353d StGB ist angesichts des Gesetzeszwecks der Strafnorm gerechtfertigt, die primär darauf gerichtet ist, eine Beeinträchtigung von Laienrichtern und Zeugen in ihrer Unbefangenheit zu verhindern. Daneben dient die Norm auch dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der durch das Verfahren Betroffenen sowie der Aufrechterhaltung der Unschuldsvermutung. 

5. Aufgrund dieser mehrfachen Schutzrichtung des § 353d Nr. 3 StGB entfällt die Zwecktauglichkeit der Vorschrift nicht dadurch, dass sich ein durch das Verfahren Betroffener durch die verfrühte Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke (nur) derjenigen Rechte begibt, die seinem Schutz dienen und damit zu seiner Disposition stehen können. Bedeutung und Tragweite des durch die Veröffentlichung auch berührten materiellen Schuldprinzips und der Neutralität des Gerichts für das rechtsstaatliche Strafverfahren rechtfertigen auch isoliert betrachtet die Strafbarkeit seines Handelns.

 Dazu Ausführungen im Beschluss des BVerfG 2 BvR 429/12 unter Rn 25 ff. :

§ 353d Nr. 3 StGB verfolgt nach einhelliger Auffassung eine doppelte Schutzrichtung (vgl. statt vieler: Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 353d Rn. 1; Schmedding, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, 2. Aufl. 2011, § 353d StGB Rn. 1). Deren Elemente stehen in einem Alternativverhältnis zueinander (vgl. Vormbaum, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2009, § 353d Rn. 39).

Die Strafvorschrift soll in erster Linie verhindern, dass Beteiligte an Verfahren, die straf- oder disziplinarrechtlicher Aufklärung und Ahndung dienen, insbesondere Laienrichter und Zeugen, durch die vorzeitige Veröffentlichung amtlicher Schriftstücke in ihrer Unbefangenheit beeinträchtigt werden (vgl. BTDrucks 7/550, S. 282 f.; Graf, in: MüKo StGB, 1. Aufl. <2006>, § 353d Rn. 5). Der durch eine vorweggenommene öffentliche Diskussion amtlichen Prozessmaterials - oft verbunden mit einseitigen Stellungnahmen oder gar unmittelbar auf Einflussnahme angelegten Wertungen - drohenden Voreingenommenheit und den darin liegenden Gefahren für die Wahrheitsfindung und für ein gerechtes Urteil soll entgegengetreten werden (vgl. Vormbaum, in: LK-StGB, 12. Aufl. 2009, § 353d Rn. 39). 2006>
Die in § 353d StGB enthaltenen Einschränkungen gelten nach den Wertungen des Bundesverfassungsgerichts unter Rn 35 bis zur Hauptverhandlung in folgender Weise:

§ 353d Nr. 3 StGB schränkt einerseits die Meinungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des von der Mitteilung Betroffenen ein. Soweit Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG betroffen wird, ist jedoch zu berücksichtigen, dass die durch die Strafvorschrift verbotene Mitteilung bereits begrifflich kein Element des persönlichen Meinens und Dafürhaltens, sondern nur Tatsachenbehauptungen enthält, hinsichtlich derer ein gerechtfertigter Eingriff unter geringeren Voraussetzungen möglich ist. Auch ist in die Abwägung einzustellen, dass der Eingriff zeitlich bis zur Erörterung des Schriftstücks in mündlicher Verhandlung beschränkt ist und nur bestimmte, besonders gefahrträchtige Formen von Veröffentlichungen verbietet, es dem Betroffenen mithin möglich bleibt, seine Meinung durch Formen der indirekten Wiedergabe - wenn auch ohne den Anschein amtlicher Authentizität - zu verbreiten.
Bundesverfassungsgericht 2 BvR 794/95 zur gesetzlichen Bestimmtheit der Strafbarkeit bürgerlichen Handelns:

1. Aus Art. 103 Abs. 2 GG folgt einerseits, dass eine Tat nur bestraft werden kann, wenn ihre Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen worden ist. Der Bürger muss wissen, was er nicht darf. Gleichzeitig sorgt Art. 103 Abs. 2 GG dafür, dass nur der Gesetzgeber abstrakt - generell über die Strafbarkeit verbotenen Tuns entscheidet. Das Parlament ist von Verfassungs wegen verpflichtet, die Grenzen der Strafbarkeit zu bestimmen; es darf diese Entscheidung nicht anderen staatlichen Gewalten überlassen.
2. Hinreichend bestimmt sein muss aber auch die Strafandrohung. Auch hier muss der Gesetzgeber selbst Art und Maß der Strafe als missbilligende Reaktion des Staates normativ bestimmen; gleichermaßen muss die staatliche Sanktion, die dem Straftäter droht, für diesen vorhersehbar sein. Diese Grundsätze führen allerdings nicht dazu, dass nur absolute Strafen verfassungsgemäß sind, mit denen ein Höchstmaß an gesetzgeberischer Präzision und Berechenbarkeit für den Betroffenen erreicht würde. Der Gesetzgeber darf sich darauf beschränken, einen Strafrahmen vorzugeben. Dies folgt aus dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass die Strafe Schuld voraussetzt und dieser angemessen sein muss. Das bedeutet, dass der Straftatbestand und der Strafrahmen einander entsprechen müssen, aber auch, dass die im Einzelfall verhängte Strafe in gerechtem Verhältnis zur Schwere der Tat und Schuld des Täters stehen muss. Bei der Frage, welche Anforderungen an die Bestimmtheit von Strafandrohungen zu stellen sind, geraten zwei Verfassungsprinzipien in ein Spannungsverhältnis, das weder durch einen allgemeinen Verzicht auf Strafrahmen noch durch eine grundsätzliche Entscheidung für möglichst weite richterliche Strafzumessungsspielräume aufgelöst werden kann. Schuldprinzip und Einzelfallgerechtigkeit auf der einen Seite sowie Bestimmtheit und Rechtssicherheit auf der anderen Seite müssen abgewogen und in einen verfassungsrechtlich tragfähigen Ausgleich gebracht werden. Der Strafgesetzgeber erfüllt seine Pflicht, wenn er durch die Wahl der Strafandrohung sowohl den Strafrichter als auch die betroffenen Bürger so genau orientiert, dass seine Bewertung der tatbestandlich beschriebenen Delikte deutlich wird, der Betroffene das Maß der drohenden Strafe abmessen kann und dem Strafrichter die Bemessung einer schuldangemessenen Strafe möglich ist. Die Pflicht des Gesetzgebers, die grundsätzlichen Entscheidungen zu Art und Ausmaß denkbarer Rechtsfolgen selbst zu treffen, ist umso dringender, je schwerer die angedrohte Strafe ist. Dem Richter sind Leitlinien an die Hand zu geben, die die Sanktionen vorhersehbar machen. Insbesondere müssen die Art der für den jeweiligen Tatbestand in Frage kommenden Sanktionen - auch wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes - sowie Ober- und Untergrenze einer angedrohten Strafe im Gesetz festgelegt werden. Schließlich ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen auch zur Angabe von Wertungskriterien verpflichtet, an die sich die richterliche Entscheidung bei der Auswahl der Strafart und der Ausfüllung des konkreten Strafrahmens zu halten hat. Nur mit Hilfe im Gesetz festgelegter und richterrechtlich konkretisierter Strafzumessungsregeln wird es im Einzelfall gelingen, weite Strafrahmen rechtsstaatlich handhabbar zu machen.
 Dazu im BVerfG-Beschluss ausführlicher (insbes. Rn 65 ff.)

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